Seit dem 1. August 2018 können sich Beamte in Hamburg gesetzlich versichern und erhalten eine pauschale Beihilfe zur gesetzlichen Krankenversicherung. Das Modell ist laut einer Meldung der Hamburger Gesundheitsbehörde (BGV) erfolgreich gestartet. Mehr als 1.000 Beamte hätten die Wechseloption bis Ende Januar 2019 genutzt. Vor allem für Beamte mit geringerem Einkommen sei das Modell interessant, berichtet die Behörde.
Seit dem 1. August 2018 können erstmals in Deutschland Beamtinnen und Beamte in Hamburg einen Zuschuss des Arbeitgebers zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Damit will die Hansestadt es seinen Staatsdienern ermöglichen, sich auch einer Krankenkasse anzuschließen statt sich privat zu versichern. Bisher war das für Staatsdiener keine attraktive Option. Denn während sie für eine private Krankenversicherung Anspruch auf Beihilfe haben und 50-70 Prozent der Gesundheitskosten von ihrem Dienstherren ersetzt bekommen, müssen sie für eine Krankenkasse den vollen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zahlen.
Doch die freie Hansestadt will das ändern — und zahlt seit August auch eine pauschale Beihilfe, wenn sich Staatsdienerinnen und -diener für einen gesetzlichen Versicherer entscheiden. Dieses Modell wird bisher gut angenommen, so berichtet die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) Hamburg letzten Donnerstag in einem Pressetext. Bis Ende Januar hätten bereits 1.015 Personen die Wechseloption genutzt und sich einer Krankenkasse angeschlossen. Damit habe die Halbjahresbilanz über dem erwarteten Zuspruch gelegen.
Die Kosten blieben zugleich geringer als erwartet: Im ersten Halbjahr habe Hamburg rund eine Million Euro für die pauschalen Beihilfen aufwenden müssen, heißt es im Pressetext. Veranschlagt waren 5,8 Millionen für das gesamte Jahr.
Gerade bei unteren Besoldungsgruppen ist GKV-Modell gefragt
Ein näherer Blick auf die Zahlen zeigt, dass sich vor allem Beamte mit kleinerer Lohntüte für die Wechseloption entscheiden. Für sie kann das gesetzliche Kassensystem tatsächlich attraktiv sein, zum Beispiel, weil sie nicht erwerbstätige Familienmitglieder kostenfrei mitversichern können. Und weil sich der Krankenkassen-Beitrag an ihrem tatsächlichen Einkommen orientiert, was bei den Privatversicherern nicht der Fall ist: Hier entscheidet das Risiko und der Bestand innerhalb eines Tarifes, was der Versicherte zahlt.
Fast 50 Prozent der Wechsler stammen aus dem allgemeinen Verwaltungsdienst und dort speziell aus einer unteren Besoldungsgruppe, so berichtet nun die Hamburger Gesundheitsbehörde. Je nach Entgeltgruppe und Dienstjahren sind hier Bruttoeinkommen von deutlich unter 2.000 Euro möglich. Dem entgegen sind die Krankenkassen für höhere Besoldungsgruppen weniger attraktiv. 20 Prozent der Wechsler sind Lehrerinnen und Lehrer, sie stellen die zweitgrößte Gruppe. Von Polizisten oder Feuerwehrleuten, die freie Heilfürsorge erhalten, hat sich hingegen kein einziger für einen Wechsel entschieden. Weitere Zahlen kommunizierte die BGV nicht.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks kommentiert: „Ich freue mich, dass die Pauschale Beihilfe so erfolgreich gestartet ist. Die Zahl von über 1.000 Beamtinnen und Beamten zeigt, dass es einen großen Bedarf für eine solche Regelung gibt. Dass sich gerade in den unteren Besoldungsgruppen überproportional viele neue Beamtinnen und Beamten für die Pauschale Beihilfe entscheiden, verdeutlicht, dass wir eine sehr sozial gerechte Alternative zur bisherigen Beihilfe geschaffen haben.“
Debatte um Hamburger Modell - und steigende Kosten für Beihilfen
Auch wenn die Zahl der Wechselwilligen aufhorchen lässt, so hat sich bisher trotzdem nur ein Bruchteil der Staatsdienerinnen und -diener für den Wechsel entschieden. Hamburg zählt nach Angaben der Stadt rund 40.000 aktive Beamte und weitere 30.000 im Ruhestand. Der Senat hat geschätzt, dass rund 2.400 aus dieser Gruppe vor Einführung des Hamburger Modells gesetzlich versichert gewesen seien. Hier wird abzuwarten bleiben, wie sich der Zuspruch künftig entwickelt.
Das Hamburger Modell hat eine Debatte ausgelöst, ob man ähnliche Beihilfen zur gesetzlichen Krankenversicherung auch in anderen Bundesländern einführt. Laut Pressetext wollen Thüringen, Brandenburg und Berlin dem Beispiel Hamburgs folgen. Bundesländer also, die von SPD bzw. Linkspartei (mit)regiert werden. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen sei das Hamburger Modell aktuell Gegenstand der parlamentarischen Diskussion.
Die Bertelsmann Stiftung rät sogar zu einer Abschaffung des jetzigen Beihilfe-Systems. Müssten sich Beamte gesetzlich versichern, können Bund und Länder bis 2030 rund 60 Milliarden Euro einsparen, argumentiert die private Stiftung auf Basis einer eigenen Studie. Zahlen wiederum, die der PKV-Verband als "unrealistisch" geißelte: So würden unter anderem Arztpraxen, Physiotherapeuten und Hebammen Milliarden-Einbußen entstehen, die wieder ausgeglichen werden müssten. Auch verstoße eine solche "Zwangsversicherung" gegen das Verfassungsrecht.
Der Beamtenbund lehnt das Hamburger Modell schlichtweg ab — auch aus Sorge um historisch gewachsene Privilegien? Langfristig könnten sich auch Staatsdiener gesetzlich versichern müssen, wenn sich das Hamburger Modell durchsetzt und die Kosten für die Dienstherren in der GKV niedriger sind, so die Bedenken. Geld, „das in diese Richtung fließt“, fehle bei der „dringend notwendigen Weiterentwicklung des Beihilfesystems“ nach jetziger Machart, sagte Ulrich Silberbach, Chef des Beamten-Gewerkschaftsverbands dbb, Mitte Januar auf der Jahrestagung des Verbandes in Köln. Das Hamburger Modell sei „systemwidrig“ und der „völlig falsche Weg“ (der Versicherungsbote berichtete).
Horst Seehofer: "Hamburger Modell entgegentreten!"
Hier sei daran erinnert, dass fast die Hälfte der privat Vollversicherten in Deutschland Beamte sind. Sie genießen folglich, abhängig vom Tarif, Privilegien wie kürzere Wartezeiten beim Facharzt, Zweibettzimmer bei stationärer Betreuung und andere Vorteile des PKV-Systems.
Auch steigen die Beiträge in den Beihilfe-Tarifen weniger stark an als in anderen Vollversicherungs-Tarifen der Privatversicherer, so zeigen Zahlen des PKV-Verbandes. Der Grund: Die Beihilfen orientieren sich auch an den zurückgelegten Dienstjahren: kurz vor der Pensionierung und im Ruhestand sind die Ansprüche in der Regel am höchsten. Ältere Menschen erzeugen aber im Schnitt auch höhere Gesundheitskosten, von denen dann der Dienstherr einen größeren Teil trägt.
Doch Unterstützung erhalten die Gegner des Hamburger Modells von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). In einem Pressetext ließ er verlauten: „Diesen Bestrebungen müssen wir gemeinsam entgegentreten! Besoldung, Versorgung und Beihilfe machen als Gesamtpaket die besondere Attraktivität des öffentlichen Dienstes aus und bilden nur gemeinsam ein in sich logisches Gesamtsystem." So sollen Beihilfen den Beamten auch finanzielle Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit zusichern.
Quelle: versicherungsbote.de , 5.2.19
https://www.versicherungsbote.de/id/4875851/chapter/1/Beihilfe-Krankenkasse-Hamburger-Modell/
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